Grenzflächenaktive Arzneistoffe: Ein Ärgernis in Cremes (2024)

Grenzflächenaktive Arzneistoffe

Von Ingrid Ewering / Wirkstoffe wie Thesit®, Chlorhexidinsalze und Zubereitungen aus Steinkohlenteer haben alle etwas gemeinsam: Sie treten in Wechselwirkung mit anderen Emulgatoren und verflüssigen hydrophile Cremes oder lassen lipophile sogar brechen.

Ursache für die galenische Inkompatibilität ist die Grenzflächenaktivität dieser Substanzen beziehungsweise Substanzgemische. Sie reichern sich in gelöster oder dispergierter Form an der Phasengrenze der Grundlage an. Wie bei allen O/W-Emulgatoren besteht das Molekül der genannten Stoffe aus einem stark hydrophilen Anteil sowie einer kurzen lipophilen Seitenkette (siehe Abbildung 1).

Ein ungeladenes O/W-Tensid

Das Oberflächenanästhetikum und Antipruriginosum Lauromacrogol 400 ist vielen bekannt unter dem Markennamen Thesit®. Es war jahrelang im DAC unter dem Begriff Polidocanol 600 monographiert. Im Ph.Eur. steht es aber nun unter der Bezeichnung Lauromacrogol 400.

Die Zahl 600 bezieht sich auf das Molekulargewicht des gesamten Stoffes, die Angabe 400 dagegen nur auf das gerundete Gewicht der Polyethylenkette. Der aktuelle Wirkstoffname verdeutlicht besser die Macrogolstruktur und damit die Grenzflächenaktivität des O/W-Tensids.

Welche Effekte nach Zugabe von Thesit zu erwarten sind, hängt unter anderem von der verordneten Grundlage ab. Die Zugabe von Lauromacrogol 400 zur komplett vorgelegten Basiscreme DAC bedingt eine recht hohe Gesamtkonzentration an grenzflächenaktiven Stoffen. Mit den Emulgatoren der Grundlage lagern sie sich zu einem kugeligen Gebilde zusammen, das aufgrund der unterschiedlichen Zusammensetzung als »Mischmizelle« bezeichnet wird (siehe Abbildung 2). Folglich erniedrigt Thesit leicht die Konsistenz der Creme. Dies ist aber durchaus akzeptabel und gilt nicht als Qualitätsminderung – wie der Kommentar zur standardisierten Rezeptur NRF 11.118. Hydrophile Polidocanol – Creme 5 % angibt.

Wird die Substanz in Zinkoxidschüttelmixtur verarbeitet (NRF 11.66.), schäumt diese sogar beim Aufschütteln. Ist Hydrophile Basisemulsion verordnet, entsteht eine sehr dünnflüssige instabile Rezeptur, die innerhalb weniger Stunden aufrahmt.

Eine Hautemulsion ist durch Verdünnen der Basiscreme DAC herstellbar und nach Zusatz eines Gelbildners sechs Monate physikalisch stabil, wie der Rezepturvorschlag des NRF: Carbomerhaltige hydrophile Lauromacrogol-400-Emulsion 5 % im Rezepturhinweis »Polidocanol zur Anwendung auf der Haut«, Stand: 8.12.2015 (Vorschrift siehe Kasten).

Bei der Herstellung wird zuerst das Carbomer mit Propylenglykol angerieben, das Wasser dazu gegeben und mit Trometamol verdickt. Anschließend wird die Basiscreme DAC und zuletzt Lauro­macrogol 400 untergerührt. Die Emulsion ist über sechs Monate physikalisch stabil.

In lipophilen Cremes tritt Lauromacrogol 400 als O/W-Emulgator in Wechselwirkung mit den W/O-Emulgatoren. Hier gilt die Faustregel: »Mische nie unterschiedliche Emulgatoren!« Folglich brechen durch Thesit-Zugabe alle lipophilen Cremes wie wasserhaltige Wollwachsalkohol-Zubereitungen und hydrophobe Basiscreme DAC. Nur durch Verringerung der Wasseranteils auf 5 bis 10 Prozent kann eine stabile lipophile Creme hergestellt werden. Denn aus rein sterischen Gründen kann die hydrophile Phase die mengenmäßig überlegene Fettphase nicht umschließen (vergleiche lipophile Polidocanol Creme 5 % / 10 % NRF 11.119.).

Carbomerhaltige hydrophile Lauromacrogol-400-Emulsion 5 %

Lauromacrogol 4005,0 g

Propylenglycol20,0 g

Carbomer 50000 (z. B. Carbopol® 980)0,25–0,5 g

Trometamol 0,2g

Basiscreme DAC 10,0 g

Gereinigtes Wasser zu 100,0 g

Quelle: NRF-Rezepturhinweis »Polidocanol zur Anwendung auf der Haut«

Allerdings ist durch Reduktion des Wassers die Eigenwirksamkeit der hydrophoben Basiscreme mit ursprünglich circa 65 Prozent Wasseranteil so stark verändert, dass in diesem Fall mit dem Arzt Rücksprache gehalten werden muss.

Die Kühlsalbe DAC, die seit Kurzem in Kühlcreme unbenannt wurde, ist mit bis zu 5 Prozent Lauromacrogol 400 als emulgatorfreie, rein mechanisch stabi­lisierte Creme für vier Wochen physi­kalisch stabil. Da alle lipophilen Cremes bei fehlender Konservierung lediglich 28 Tage, also auch vier Wochen, haltbar sind, ist dies nicht weiter problematisch.

Kombinationen schwierig

Verordnet der Dermatologe eine Rezeptur mit zwei grenzflächenaktiven Wirkstoffen wie im abgebildeten Rezept, trennen sich die Phasen innerhalb von circa zehn Tagen. Die Rezeptur ist daher unter galenischen Aspekten problematisch. Aus therapeutischer Sicht bestehen keine Einwände dagegen, das Antipruriginosum/Lokalanästhetikum Lauromacrogol 400 und einen Ent­zündungshemmer/Antiseptikum wie Stein-kohlenteerlösung in einer Creme zu kombinieren. Bei Dauergebrauch ist Steinkohlenteer jedoch kanzerogen.

Im vorliegenden Fall besteht eine Möglichkeit darin, zwei Cremes mit jeweils einem grenzflächenaktiven Wirkstoff getrennt herzustellen und abzugeben, da beide Substanzen einzeln verarbeitet mit Basiscreme DAC kompatibel sind. Die zweite Alternative ist, dem Arzt vorzuschlagen, das schwach antientzündliche Hydrocortisonacetat durch ein stärker wirksames Gluco­corticoid, zum Beispiel Betamethasonvalerat, Triamcinolonacetonid oder das moderne Mometasonfuroat, auszutauschen und die Steinkohlenteerlösung wegzulassen. So wirkt die Creme stark antiphlogistisch ohne kanzerogenes Risiko. Leider fehlt dann ein Wirkstoff mit antiseptischen Eigenschaften.

Drei Chlorhexidinsalze

Bekannt sind drei Chlorhexidinsalze auf: das -dihydrochlorid, -diacetat und -digluconat.

  • Chlorhexidindihydrochlorid ist nur zu 0,06 Prozent in Wasser löslich und deshalb allenfalls als Konservierungsmittel einsetzbar. Als Tensid wirkt es antimikrobiell.
  • Chlorhexidindiacetat ist mit 1,9 Prozent besser wasserlöslich; jedoch muss bei hohen Wirkstoffkonzentrationen und kleinen Wassermengen mit Rekristallisation gerechnet werden.
  • Chlorhexidindigluconat ist zu etwa 70 Prozent wasserlöslich und deshalb bei entsprechenden Rezepturen zu bevorzugen. Üblich ist der Einsatz des käuflichen Flüssigkonzentrats mit 20 Prozent Wirkstoffanteil. Doch Chlorhexidindigluconat ist nicht nur grenzflächenaktiv, sondern das Kation reagiert mit anionischen Cremes und Gelen. Außerdem verfärbt es Sorbinsäure- oder Kaliumsorbat-haltige Zubereitungen grau. Die Ursache dieser Wechselwirkung ist unbekannt.

Folglich kann Chlorhexidindigluconat nur sehr begrenzt in verschiedene Grundlagen eingearbeitet werden. Da die Substanz selbst antimikrobiell wirkt, lassen sich mit diesem Salz die beiden nonionogenen Cremes des DAB und des SR/DAC aus den Einzelbestandteilen ohne Sorbinsäure beziehungsweise Kaliumsorbat herstellen. Es gilt die übliche Verwendbarkeitsfrist der Dermatikagrundlagen: 1 Jahr in der Tube oder 6 Monate in der Spenderdose. Keine Schwierigkeiten sind bei der Einarbeitung der Digluconatlösung in Basiscreme DAC zu erwarten. Die Creme enthält Propylenglycol und ist als Halbfertigware direkt einsetzbar wie in Hydophile Chlorhexidindigluconat Creme 0,5 % / 1 % NRF 11.116.

Höhere Stabilität

Lipophile Cremes sind dann stabil, wenn die Wasserphase verringert wird. Dabei muss die Chlorhexidindigluconatlösung lediglich bei der Menge der jeweiligen Wasserphase berücksichtigt werden. Oder anders formuliert: Die hydrophile Phase aus Wasser und dem flüssigem Arzneistoff darf den 50-Prozent-Wert nicht überschreiten. In Analogie gilt für die mechanisch stabilisierte Kühlcreme DAB der Wert von 25 Prozent wässriger Phase. Die so hergestellte Rezeptur sollte mit bis zu 1 Prozent Chlorhexidindigluconat für vier Wochen stabil bleiben.

  • Chlorhexidindigluconat-Lösung 200 g/l 2,67 g (0,5 %) oder 5,33 g (1 %)
  • Emulgierendes hydrophobes Basisgel DAC oder Wollwachs­alkoholcreme DAB oder SR/DAC 50,0 g
  • Gereinigtes Wasser zu 100,0 g

Beachte: Chlorhexidindigluconat wird als 20-prozentiges flüssiges Rezepturkonzentrat eingesetzt. Beträgt die Dichte der Lösung exakt 200 g/l, dann gelten die im Kasten genannten Einwaagen. Liegt der Wert darunter muss ein Korrekturfaktor berücksichtigt werden.

Arzneistoffzusatz

Lauromacrogol 400 ist bei Raumtemperatur salbenartig; ab 24 °C schmilzt es zu einer klaren, farblosen bis schwach gelben viskosen Flüssigkeit. Da die Substanz zur Trennung (Separation) neigt, empfehlen manche Lieferanten, den Wirkstoff im Kühlschrank aufzubewahren und vor der Anwendung unter Wärmezufuhr zu verflüs­sigen und zu homogenisieren. Hinweis: Der Emulgator ist nur als klare Flüssigkeit verarbeitbar.

Generell gilt für alle grenzflächenaktiven Lösungen die Faustregel: Die Flüssigkeiten immer zuletzt einarbeiten. Bei manueller Herstellung wird der tensidartige Arzneistoff in einem Schritt schonend in die gesamte Grundlage gerührt. Bei Lösungscremes reicht ein kurzes Mischen völlig aus.

Wird die Rezeptur mithilfe eines elektrischen Rührgeräts produziert, entsteht durch die hohe Scherkraft aus der halbfesten Creme eine flüssige Emulsion. Die Firma Wepa empfiehlt, zum Beispiel mit dem Topitec® automatic grenzflächenaktive Arzneistoffe mit circa 500 Umdrehungen pro Minute (UpM) zu homogenisieren. Im Rezepturhandbuch sind folgende Rührparameter für Ansätze von 50 Gramm veröffentlicht:

  • 5 % Polidocanol Creme NRF 11.118 4 Min. bei 700 UpM
  • 0,5 % Chlorhexidindigluconat Creme NRF 11.116.4 Min. bei 300 UpM

Bei Einsatz des Unguator®-Gerätes empfiehlt sich der Blick in die entsprechende Kurzanleitung-Zusammenfassung unter »Besonderheiten – empfindliche Rezepturen«. Ein 50 bis 100 ml Ansatz kann mit dem Unguator®e/s bei 1130 U/Min. (Stufe 3) siebeneinhalb Minuten gemischt werden. Anwendbar scheint auch die Tabelle »Emulsionssalben/Lösungssalben bei Raumtemperatur«, wobei die gleiche Menge Creme nur noch zwei Minuten und 20 Sekunden bei 2100 U/Min. (Stufe 9) mit dem Einwegrührer gemischt wird. Im Zweifel ist die manuelle Herstellung vorzuziehen. /

Rezeptur-Videos

Rezepturprobleme? PTA-Forum hilft in kurzen, aber sehr informativen Videos auf YouTube weiter – von der Herstellung von Kapseln oder Gels bis hin zum richtigen Wiegen oder wie man Inkompatibilitäten vermeidet.

→ zu den Rezeptur-Helfern auf Video

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